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Ingram-Aktionäre stimmen über den Verkauf ab

Dass ausgerechnet ITK-Distributionsbranchenweltmarktführer Ingram Micro zum Verkauf stehen könnte und bald in den Besitz eines chinesischen Konglomerates übergehen wird, war wohl ein der Überraschungsnachrichten dieses Jahr. Weil bald die Aktionäre über den Verkauf abstimmen, hat Ingram dessen Hintergründe jetzt veröffentlicht.

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Andreas Raum

Mittwoch, 18. Mai 2016

Im November 2015 kam eine hochrangige Delegation der chinesischen HNA Gruppe nach Kalifornien, um Ingrams „Advanced Logistics Center“ in Miro Loma zu besichtigen. Der Hintergrund: Das chinesische Unternehmen plante eine große Investition zu tätigen. Zwanzig Prozent der Anteile am Distributor wollten die Chinesen übernehmen.

Beim Abendessen folgte die überraschende Wende. Beisammen saßen die Herren Monié, CEO der Ingram, Ingram China Chef Zhang, Adam Tan, President der HNA Gruppe und Kevin Guo, Vice Chairman und Vice Chief Investment Officer der HNA Logistics. Er wolle nicht 20, sondern 100 Prozent der Ingram übernehmen, habe Tan Monie erklärt und der habe erwidert, dass er solch schwerwiegende Angebote mit dem Aufsichtsrat besprechen müsse. Er sei bereit 20 Prozent Aufschlag auf den aktuellen Aktienpreis zu bezahlen, konkretisierte Tan. Das sei für den Aufsichtsrat wohl kaum interessant, habe Monie erwidert. Worauf Tan nachlegte, er könne sich auch einen Aufschlag von 30 Prozent vorstellen. Darauf stieg der Ingram Chef ein: Dieses Angebot hätte er gerne schriftlich und zwar mit einem konkreten Preisangebot, damit er es mit dem Aufsichtsrat diskutieren könne.

Dieses und weitere Details enthält das Dokument, ein „Preliminary Proxy Statement“, das den Ingram Micro Aktionären als Entscheidungsgrundlage für die Abstimmung über den Verkauf dienen soll. Für etwas über sechs Milliarden Dollar möchte die chinesische HNA Gruppe den Distributor übernehmen. Mit sieben Unternehmen haben das Ingram Management und der Aufsichtsrat verhandelt und auch geprüft, ob es sinnvoller sei, die Ingram als unabhängiges Unternehmen weiterzuführen. Am Ende stand das Angebot der Chinesen als beste Option für die Aktionäre fest.

Das Dokument ist trotz seiner Länge überaus lesenswert. Die Hintergründe über die Verhandlungen beginnen ab Seite 24 und gewähren einen seltenen Blick hinter die Kulissen einer Übernahme. Zudem gibt es einen Einblick in die Funktion der amerikanischen Börsenmechanismen, offenbart Details über den Zeitplan und die Finanzierung sowie die Zukunft des Ingram Managements und Aufsichtsrats. Allen, die mit US-börsennotierten Unternehmen zu tun haben aber auch Ingram Kunden, Partnern und Mitarbeitern empfehle ich, das Dokument zumindest quer zu lesen.

Recht hilfreich dafür, die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen in China einzuordnen fand ich übrigens diesen Artikel, der kürzlich im US Magazin The Atlantic veröffentlich wurde.

Bis nichts mehr reingeht

Darüber, dass Apple erstmalig seit Beginn der zweiten Ära Jobs, Channeltreue und konsistentes Pricing aufgibt, habe ich vergangene Woche an dieser Stelle berichtet. Allerdings ist Apple kein Einzelfall. Der Kanal scheint bald voll zu sein.

„Der Kanal ist voller Ware, in allen möglichen Produktbereichen“; „es ist schlimmer als vor zwanzig Jahren“; „wir haben wieder angefangen zu brokern“; „egal, um welche Produkte es geht und um welchen Hersteller, die Lager sind voll“; „inzwischen schieben Hersteller Produkte quer über Europa“.